Krank im Heimurlaub Dr. Travel
Erich betreibt bei Kerewan in Gambia am gleichnamigen Fluss einen kleinen Bauernhof. Mit seiner gambischen Partnerin bewirtschaftet er einige Erdnuss und Maniokfelder und hält Schweine, Rinder und Pferde. Kurz bevor er seine Eltern in der Schweiz besuchen will, leidet Erich an einem grippalen Infekt mit Schüttelfrost, geröteten Schleimhäuten, Kopf- und Gliederschmerzen. Eine Woche lang hat er ausserdem 39 bis 40 Grad Fieber. Bei der Abreise fühlt er sich wieder gesund. Bei seinen Eltern in Zürich aber wird Erich gleich wieder krank und kommt dann in unsere Praxis. Er klagt über Fieber, Kopfweh und Wadenschmerzen. Ich stelle 38,6 Grad Fieber, eine Bindehautentzündung und leicht gelbliche Bindehäute an beiden Augen fest, was auf eine Beteiligung der Leber hindeutet. Als Erstes schliesse ich mit einem Bluttest eine Malaria aus, denn Erich macht in seiner Wahlheimat keine Malariaprophylaxe. Drei Tage später steht die Diagnose fest: Die Kurzzeitantikörper gegen Leptospiren sind deutlich erhöht. Die Leberwerte sind zum Glück nur leicht zu hoch. Der zweigipflige Verlauf der Krankheit ist für Leptospiren typisch. Anhand der Langzeitantikörper stelle ich einige weitere durchgemachte Infektionen fest. Diese sind jedoch abgeheilt. Leptospiren gehören zur Bakterienfamilie der Spirochäten. Es gibt verschiedene Varianten, und nicht alle Subtypen sind für den Menschen gefährlich. Aufgelesen hat Erich die Bakterien am ehesten auf seinem Bauernhof durch Kontakt mit Urin von erkrankten Tieren, die oft keine Symptome zeigen. In der Regenzeit ist die Infektionsrate höher. Die Bakterien gelangen via kleine Hautverletzungen oder über die Schleimhäute in den menschlichen Körper. Auch durch den Kontakt mit Urin von Nagetieren können Leptospiren übertragen werden. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist selten. Die Inkubationszeit beträgt eine bis drei Wochen. Oft schädigt die Immunantwort des Körpers die Blutgefässe und verursacht so die zweite Phase der Erkrankung. Die Bindehautentzündung kann bis zu vier Wochen andauern. Für Menschen gibt es keine Impfung gegen Leptospiren, für Tiere jedoch schon. Diese wird in Gambia aber oft nicht verwendet. Obwohl die Frühphase der Erkrankung schon vorbei ist, behandle ich Erich zur Sicherheit sieben Tage lang mit einem geeigneten Antibiotikum. Erich hat Glück im Unglück: Schwere Verläufe können zu Leber- und Nierenversagen führen. Eine Woche vor der Rückreise nach Gambia ist er wieder gesund. Bei der Nachkontrolle haben sich die Leberwerte normalisiert, und auch die Entzündungszeichen sind verschwunden. Langzeitantikörper sind jedoch noch nicht nachweisbar. Jetzt hat er noch eine Woche Zeit, sich mit Freunden zu treffen und in den Bergen zu wandern.